Archäologische BauBegleitende Untersuchungen

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Sandower Tor - Cottbus

Archäologische Beobachtungen am Standort des ehemaligen Sandower Tores sowie an den Wall- und Grabenanlagen im Nordosten der Cottbuser Altstadt

Auf der Webseite veröffentlicht:
22. April 2021

ABBU
R.Methner & L.Ruhnow GbR
Bahnhofstraße 48
03046 Cottbus


Ende 2009 begannen umfangreiche Arbeiten zum grundhaften Ausbau der Münzstraße im Nordosten der Altstadt von Cottbus, zwischen F. L. Jahn-Straße und Sandower Straße.

Östlicher Bereich der Cottbuser Altstadt. Aufnahme vom 09.05.2008 (M. Agthe). Schlossberg (oben rechts), Stadtmauer an der Münzstraße mit Münzturm und Weichhäusern (oben links), Sandower Straße (Bildmitte).

Die einst als Große Mauerstraße bezeichnete Straße führte entlang der gesamten Innenseite der nördlichen Stadtmauer vom Luckauer bis zum Sandower Tor. Die einstmals vorhandene Bebauung, zumeist einfache Wohn- und Wirtschaftsgebäude des 18. und 19. Jahrhunderts, ist im relevanten Abschnitt nur noch durch das Gebäude Münzstraße 42 vertreten. Die Nordseite der Straße wird durch die (stark rekonstruierte) Stadtmauer nebst Münzturm geprägt.¹ Ausgehend vom Münzturm verläuft die Stadtmauer in südliche Richtung und endet in einem flachen, rekonstruierten Teilstück nördlich der Sandower Straße. Die Baumaßnahme setzte im Kreuzungsbereich Münzstraße/ Sandower Straße an und damit am Standort des ehemaligen Sandower Tores, dessen Fundamente teilweise bereits 1981 archäologisch untersucht wurden².

¹Ackermann/Cante/Mues 2001, S. 150
² Tzschentke/ Tzschentke, Beobachtungen an einer mittelalterlichen Toranlage von Cottbus.
In: Geschichte und Gegenwart des Bezirkes Cottbus (Niederlausitzer Studien) Heft 21, Cottbus 1987

Kreuzungsbereich Münzstraße/ Sandower Straße zum Zeitpunkt der Untersuchungen. Im Hintergrund der Münzturm. (Foto vom Schlossberg aus nach Norden)

Das Sandower Tor war neben dem Luckauer und dem Spremberger Tor eines der insgesamt drei Haupttore der mittelalterlichen Cottbuser Stadtbefestigung und sicherte die Ausfallstraße im Osten der Stadt³. Die Toranlage bestand aus innerem und äußerem Torturm, verbunden durch Zwingermauern. Der aus Backstein bestehende innere Torturm soll 1615 durch Brand zerstört worden sein. Darstellungen aus dem frühen 18. Jahrhundert zeigen ihn wiederaufgebaut. 1754 brannte der Turm aus und wurde nicht mehr erneuert. 1823 erfolgte der endgültige Abbruch.⁴

Bereits der Bodenabtrag zur Anlage des neu zu gründenden Straßenkörpers ließ im südlichen Abschnitt der Münzstraße und deren Einbindung in die Sandower Straße in einer Tiefe von 0,50 bis 0,60 m Mauerstrukturen erkennen, die (abgesehen von einigen Leitungsstörungen) in gutem Zustand im Boden erhalten waren. Die Anlage eines entsprechenden archäologischen Planums sowie gezielte Untersuchungen am Baukörper zeigten, dass die Fundamente in bauzeitlichem Zusammenhang mit den 1981 freigelegten Strukturen stehen und dem nördlichen Teil der inneren Toranlage zugehörig waren.

³ Das Pendant zum Sandower Tor im Osten war das Luckauer Tor im Westen der Stadt. Das dritte Haupttor bildete das Spremberger Tor. Ein viertes Stadttor, das Mühlentor, diente im Wesentlichen als Zugang zu den Mühlen an der Spree südöstlich der Cottbuser Altstadt. Keines der ehemaligen Stadttore ist heute noch erhalten.
⁴ Ackermann/Cante/Mues 2001, S. 100

Bauhistorische Befunde am Standort des ehemaligen Sandower Tores

Freigelegt werden konnte eine rechteckige Fundamentstruktur mit aufgehendem Mauerwerk, die sich an der Stadtmauerflucht orientierte und deren nördliche und südliche Verbände rechtwinklig auf die Stadtmauer zu liefen⁵

⁵ Bauseits bedingt konnte eine direkte Verbindung mit dem Fundament der Stadtmauer nicht nachgewiesen werden, da jenes von der Baumaßnahme nicht berührt wurde.

Die spätmittelalterlichen Mauerverbände nördlich der Sandower Straße im Planum. Foto gegen Ost

Die Nord-Süd-Ausdehnung betrug 7,00 m, in östliche Richtung konnte das Fundament auf ebenfalls 7,00 m Länge nachgewiesen werden⁶. Das in Kalkmörtel gesetzte Mauerwerk war in Ziegeln im Klosterformat als Schalmauerwerk ausgeführt, wobei die Außenschalen in gotischem Verband gesetzt waren. Das Innere bestand aus Ziegelbruch in Viertel- bis Dreiviertel-Stein-Größe wie das Profil einer aus Altmedienverlegungen resultierenden Ausbrechung im westlichen Mauerverband zeigte

Das Schalmauerwerk des westlichen Verbandes im Profil einer aus Altschachtungen resultierenden Ausbrechung. Foto gegen Nord.

⁶ Die Distanz von der Nordwestecke des Fundamentes bis zur Anbindung an die Stadtmauer beträgt 8,50 m.

Die Stärke des Mauerwerks betrug 1,60 m. Um den Fundamentaufbau zu klären, wurde zwischen den das Planum durchlaufenden Kabeltrassen eine Sondage an der Südseite des nördlichen Mauerverbandes angelegt. Hier zeigte sich, dass der in diesem Bereich bei 72,70 m⁷ anstehende Ziegelverband sich stufenförmig nach unten verdickte⁸ und in einer Tiefe von 71,50 m endete.

Sondage an der Südseite des nördlichen spätmittelalterlichen Mauerverbandes mit sich nach unten verdickenden Ziegellagen über einer Feldsteinbasis, Foto gegen Nord. Im nördlichen Anschluss sind im Planum Reste der im 18./19. Jh. angegliederten und entlang der Stadtmauer verlaufenden Bebauung sichtbar, zu der auch die auf den spätmittelalterlichen Ziegelverband in Lehm aufgesetzten Feldsteine zugehörig sind.

Den unteren Fundamentabschluss bildeten zwei -unter Einschluss einiger Ziegelbruchstücken- in Kalkmörtel gesetzte Lagen aus Feldsteinen, deren Sohle bei 70,87 m gefasst wurde. Analog zur Verdickung des Ziegelverbandes war auch die untere Feldsteinlage breiter ausgeführt als die obere. Die erhaltene Gesamttiefe des Mauerwerks betrug 1,83 m.
Die ermittelte Gründungstiefe und der Aufbau des Mauerwerks entsprechen im Wesentlichen den bei der Untersuchung von 1981 dokumentierten Befunden, insbesondere der damals ausführlicher untersuchten südlichen Turmwange des inneren Torturmes. Auffallende Abweichung ist die 1,60 m betragende Stärke des aufgehenden Ziegelmauerwerks. Für die südliche Turmwange wurde damals eine Mauerstärke von 1,20 m bis 1,30 m. ermittelt.⁹

⁷ Höhenangaben in DHHN
⁸ Die stufenweise Verdickung des Ziegelmauerwerks wurde auch an der Südwestecke der frei gelegten Fundamente beobachtet.
⁹ Tzschentke/ Tzschentke 1987, 95 f.

Im Westprofil der an das Mauerwerk gelegten Sondage war im Bereich des unteren Fundamentabschlusses die Baugrube klar vom hellsandigen Umgebungshorizont abzugrenzen.¹⁰ Sie enthielt ausschließlich und in geringer Menge spätslawische, gegurtete Keramik. Diese wird deshalb in die Baugrube geraten sein, weil man während der Gründung des Fundamentes den ursprünglich vorhandenen slawischen Horizont durchstieß.¹¹ Die obere Grenze der Baugrube ging in einem sich nach Süden fortsetzenden Tritthorizont auf, der eine unverzierte Scherbe der harten Grauware lieferte und als bauzeitlich anzusprechen ist. Auf diesen Horizont war unmittelbar ein bis zu 0,40 m mächtiges Paket aus Ziegelbruch als Ausgleichschicht bzw. Höhenregulierung aufgebracht worden, das bis direkt an die Mauergründung reichte. Darüber folgte ein 0,60 m mächtiges Paket aus Tritthorizonten spätmittelalterlicher Zeit. Die aus den unteren Straten geborgene Keramik besteht aus unverzierten und riefenverzierten Scherben von zumeist Kugeltöpfen der harten Grauware mit gekehlten oder ausgebogenen Rändern sowie einigen Stücken der rottonigen Irdenware und frühem Steinzeug. Die überlagernden Straten wiesen neben frühdeutscher Keramik auch in geringer Menge frühe glasierte Irdenware auf. Den oberen Profilabschluss bildete eine in einer Höhe von etwa 72,40 m anstehende, neuzeitliche Verebnungs- bzw. Planierschicht mit vergesellschafteter spätmittelalterlicher Ware und neuzeitlicher Keramik.

Nördlich an die spätmittelalterlichen Baustrukturen anschließend wurden in der Münzstraße bis über den Standort des Weichhauses hinaus im Planum weitere Mauerfundamente aufgedeckt. Diese sind den eingangs angesprochen einfachen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden entlang der Stadtmauer zugehörig, die erst im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts errichtet wurden¹² und zum Teil bis in das 20. Jahrhundert Bestand hatten. Teilweise wurde Baumaterial sekundär verwendet, das mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der ehemaligen Toranlage stammt.
Im nördlichen Teil des spätmittelalterlichen Baukörpers waren vereinzelt Reste einer in Lehmmörtel auf das Ziegelmauerwerk aufgesetzten Feldsteinlage zu erkennen. Untersuchungen an der Nordseite des Fundamentes zeigten, dass sie in Zusammenhang mit den neuzeitlichen Bauaktivitäten steht.

Südöstlich der besprochenen Mauerstrukturen wurde zu einem späteren Zeitpunkt bei Kabelsuchschachtungen weiteres, durch Altleitungen gestörtes Ziegelmauerwerk in kleinem Ausschnitt angetroffen. Durch die Vielzahl von im Boden befindlichen Kabeln, Betonabdecksteinen etc. konnte der Befund nicht eingehend untersucht werden, weshalb der Zusammenhang mit den vorher aufgedeckten Befunden unklar bleiben muss. Zumindest konnte festgestellt werden, dass innerhalb der Suchschachtung zwei Mauerverbände aufeinander stießen, deren östlicher aus Ziegeln im Klosterformat bestand und eine geringfügige Abweichung zum Verlauf der Stadtmauer aufwies. Der Verband setzt sich unter dem nördlichen Gehweg der Sandower Straße fort und steht vermutlich in Zusammenhang mit der nördlichen Turmwange und deren Anschluß an die nördliche Zwingermauer, die ausschnittweise bereits bei den Grabungsaktivitäten von 1981¹³ gefasst sowie 2002 bei einer Baubegleitung von D. Westendorf beobachtet worden ist¹⁴.

¹⁰ Der Eintiefungshorizont ist nicht zwingend mit dem C-Horizont gleichzusetzen. Obwohl sich die Schicht im Rahmen des durchgeführten, kleinflächigen Eingriffs als fundleer erwies, ist auf Grund der räumlichen Nähe zum -und den besonderen Gegebenheiten am- Cottbuser Schlossberg auch das Vorhandensein von Kulturschichten in tieferen Lagen möglich. (Siehe hierzu Wetzel 1989, 200 f.)
¹¹ Das Vorhandensein eines slawischen Horizontes wurde 1981 bei einer Profilanlage an der Westwand des Torturmes nachgewiesen (Tzschentke/ Tzschentke 1987, 93 f.).
¹² Im Altkartenbestand von Cottbus sind erste Bebauungen an der inneren Stadtmauer in diesem Abschnitt für 1800 belegt. Weitere Bauten entstehen folgend im 19. Jahrhundert. In: Ackermann/Cante/Mues 2001, Kartenbeilagen ab S. 460
¹³ Tzschentke/ Tzschentke 1987, 92 - 94
¹⁴ Fotodokumentation von D. Westendorf zur Maßnahme LAU 2002 : 13, Ortsakten BLDAM, Außenstelle Cottbus

Die Zuordnung der baulichen Strukturen zu den 1981 freigelegten Befunden ist insofern schwierig, als das die Baumaßnahme den direkten Anschlussbereich an die damaligen Grabungsbefunde nicht tangierte. Zudem konnte nicht auf die originalen Vermessungsunterlagen von 1981 zugegriffen werden. Stellt man die jüngst ergrabenen Mauerstrukturen gemeinsam mit den damaligen Ergebnissen im Lageplan dar, so wird deutlich, dass die spätmittelalterliche Gründung nicht mit der damals im Ansatz dokumentierten nördlichen Turmwange ihren Abschluss fand, die nach der Darstellung im ältesten erhaltenen Cottbuser Stadtplan von 1720/24 auf Höhe der nördlichen Zwingermauer verlief und in Aufbau und Größe der südlichen Turmwange entsprach. Die jüngst aufgedeckten Fundamente sind jedoch nicht als spätere Bauphase bzw. Anbau zu deuten sondern bauzeitlich in die Phase der Gründung der südlichen Turmwange im Verlauf des 14. Jahrhunderts¹⁵ einzuordnen. Sämtliche überkommenen Ansichten des Sandower Tores stammen jedoch aus der Zeit nach dem Wiederaufbau des zu Beginn des 17. Jahrhunderts abgebrannten inneren Torturmes und zeigen demzufolge nicht die spätmittelalterlichen Gegebenheiten. Hinsichtlich der räumlichen Lage lassen sich die nördlichen Baubefunde spätmittelalterlicher Datierung möglicherweise in Einklang bringen mit der als „Malzdarrhaus“ bei Handschky 1720/24 eingezeichneten Bebauung

Ausschnitt des Handschky-Plans von 1720/24. Sandower Tor (1), Malzdarrhaus (2), Münzturm (3), Stadtmauer (4)

¹⁵ Tzschentke/ Tzschentke 1987, 95 (Datierung anhand des keramischen Fundmaterials aus dem Torturmbereich)

Es handelt sich hierbei um die einzige, bereits zum Zeitpunkt der Planerstellung bestehende Bebauung zwischen Sandower Tor und Münzturm an der Stadtmauer. Sie schließt direkt nördlich an die (nach dem Wiederaufbau bestehende) nördliche Turmwange des inneren Torturmes an. Zudem folgt der westliche Abschluss des Gebäudes der Flucht der Westseite des Torturms. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um ein massives und mindestens zweistöckiges Gebäude gehandelt hat, um der Funktion als Malzdarre zu entsprechen¹⁶. Die Größe des bei Handschky verzeichneten Grundrisses des Gebäudes in Relation zur Größe des inneren Torturmes selbiger Zeit entspricht den Grabungsbefunden. Insofern kann zumindest die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sich in den Fundamenten der späteren Malzdarre ein Teil der spätmittelalterlichen inneren Toranlage des Sandower Tores bis in die Neuzeit erhalten hatte.

¹⁶ Siehe bspw. Beschreibung von Malzdarren bei Krünitz unter http://www.kruenitz1.unitrier. de/xxx/m/km00976.htm (Elektronischen Version der Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz, erschienen ab 1783)

Literatur

Ackermann/Cante/Mues
Denkmaltopographie Deutschland, Denkmale in Brandenburg, Stadt Cottbus, Altstadt und innere Stadtteile, Bd. 2.1, Worms 2001

V. Tzschentke/B. Tzschentke
Beobachtungen an einer mittelalterlichen Toranlage von Cottbus. In: Geschichte und Gegenwart des Bezirkes Cottbus (Niederlausitzer Studien) Heft 21, Cottbus 1987

Wetzel
Der Schlossberg in Cottbus. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam. Bd. 23, S. 181-207, Berlin 1989

Wetzel
Frühgeschichtliche und hochmittelalterliche Funde aus der Altstadt von Cottbus. In: Ausgrabungen und Funde, Nachrichtenblatt für Ur- und Frühgeschichte, Bd. 15, Heft 3, S. 165-174, Berlin 1970

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