Archäologische BauBegleitende Untersuchungen

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Georgenhospital Frankfurt (Oder)

Neue Erkenntnisse zum Hospital St. Georg in Frankfurt (Oder) durch Projekt PE 2013: FFO 007

Auf der Webseite veröffentlicht:
22. April 2021

ABBU
R.Methner & L.Ruhnow GbR
Bahnhofstraße 48
03046 Cottbus


Im Jahr 2013 begannen umfangreiche Sanierungs- und Umbauarbeiten an einem historisch bedeutsamen Objekt in der Stadt Frankfurt Oder, dem Denkmal Hospital mit Kirche zum heiligen Georg, das in seiner heutigen Erscheinung der Bauphase des 18. Jahrhunderts entspricht. Der Aus- und Umbau erfolgt zur Umgestaltung in ein „Boardinghouse“ für internationale Gastdozenten und Studenten der Europa-Universität Viadrina. Die Entstehung des Hospitals reicht bis in die Zeit der Stadtgründung zurück und es befand sich außerhalb der Stadttore, in der nördlichen Lebuser Vorstadt (Abb. 1 bis 3).¹

Abb. 1: Georgenhospital um 1900 in der Ansicht von Seiten der Berliner Straße, im Hintergrund der Kirchturm der Kirche St. Georg (Jung 1912: 95, Abb. 70.).
Abb. 2: Kirchenansicht von Südwesten (Goecke 1912: 37, Abb.24.).

Erstmals erwähnt wird es 1312 als „Leprosorium“ bzw. Siechenhaus. Für die ältesten Gebäude des Spitals vermutet man hölzerne Bauwerke. In einer Schenkungsurkunde von 1457 wird das Hospital „St. Maria Magdalena“ genannt. Erst mit einem Neubau als Massivbau Mitte des 16. Jahrhunderts durch Bürgermeister Thomas Riebe erfolgt eine Weihung dem Schutzpatron der Aussätzigen „St. Georg“.² Nachdem das Hospital laut Jung in seinen Anfängen vorrangig der Behandlung Leprakranker gedient hatte, stand in den folgenden Jahrhunderten die medizinische und seelsorgerische Versorgung der ärmeren Stadtbevölkerung und Ortsfremder im Vordergrund. Nachdem es im Mittelalter zunächst üblich war den Gottesdienst im Hospital abzuhalten, wurde zu diesem Zweck später ein separater Kirchenbau errichtet. Die Stiftung von Altären z. Bsp. durch eine Familie Winse 1545, gibt Anlass zur Vermutung eines älteren Kirchenbaus der späteren Kirche St. Georg.³ Der Abriss der Kirche war 1926 aufgrund von Baufälligkeit erfolgt.

¹ Kilian-Buchmann 2008:283 f.
² Jung 1912:34. - Kilian-Buchmann 2008:285.
³ Kilian-Buchmann 2008:286.


Eingehende archäologische Untersuchungen am Spital und seiner Kirche gab es bislang nicht. Lediglich ein Bereich des nördlich und östlich gelegene Kirchhof mit seinen Bestattungen wurde bei beim Anlegen eines Leitungsgrabens angeschnitten.⁴ Umso wichtiger war es die Bauarbeiten ab dem Baustart im Jahr 2013 archäologisch zu begleiten. Eine zunächst durchgeführte Voruntersuchung von drei Sondierungen an der Nordostseite des Gebäudes zeigte, dass in einer durchschnittlichen Tiefe von 50 cm unter dem Geländeniveau tatsächlich die Fundamente der ursprünglich in diesem Bereich gestandenen Kirche noch vorhanden waren (Abb. 5). Ein nordwestlich des Hospitals bis dato erhaltenes 9 m langes, 2 m hohes und 70 cm breites Mauerteilstück erwies sich als erhaltene Mauer des südlichen Kirchenanbaus aus dem 18. Jahrhundert. Die vorgefundene Situation entsprach damit weitestgehend erhaltenen Grundrissplänen von Kirche und Hospital von 1912⁴ und Rekonstruktionsversuchen von W. Brisch, in denen Hospital und Kirche dicht nebeneinander standen und durch eine Verbindungsmauer miteinander verbunden waren (Abb. 4).

Abb. 3: Georgenhospital und Kirche außerhalb der Stadttore von Frankfurt (Oder) in einer älteren Darstellung von J.C. Beckmann 1706.

Abb. 4: Die mit den Untersuchungsschnitten angetroffenen Fundamentzüge der Georgenkirche (ABBU GbR).

⁴ Kilian-Buchmann 2008:284.
⁵ Jung 1912:35.


Abb. 5: Untersuchungsschnitte 1 bis 3 an der nördlichen Giebelseite des Hospitals. Blick nach Südost. Rechts Abb. 6: Kirchenfundamente in Untersuchungsschnitt 1. Blick nach Nordost (ABBU GbR).

Die erhaltene Mauer weist noch heute Pfeiler, Fensternischen und einen kleinen verschlossenen Durchlass auf, über den man einst in die Kirche und den Bereich der Gruft gelangte. Neben der Sakristeitür gab es ursprünglich weitere 3 Zugänge zum Inneren der Kirche⁶, von denen sich einer an der Südseite befand und als barocke Rundbogentür mit geschweiften, von Konsolen getragene Verdachung beschrieben wird. Die Voruntersuchung erbrachte die Erkenntnis, dass die bekannten Grundrisspläne mit den Fundamentstrukturen im Boden weitestgehend übereinstimmen, es jedoch Umbauphasen und veränderte Bereiche gibt, auf die während der Bauarbeiten (insbesondere zur Leitungsverlegung) Rücksicht genommen werden musste.

Die archäologische Begleitung des Innenausbaus des Hospitalgebäudes 2013 erbrachte insbesondere im nördlichen Komplex bislang unbekannte Fundamentstrukturen, die entweder unterhalb des alten Fußbodenbelages Räume kreuzten oder wie im nördlichen Flur im Mauerwerk aufgegangen waren (Abb. 7, 8). Eine zeitliche Einordnung dieser Fundamentzüge erfolgte in das 15./16. Jahrhundert, also definitiv noch vor dem 18. Jahrhundert.)

Abb. 7: Linkes Bild: Fundamentsituation im nördlichen Gang mit unbekanntem durchgehenden Fundament Stelle 31.

⁶ Jung 1912: 37.


Abb. 8: Links: Freigelegte Gewölbekuppen im Hospital nach Entfernung der alten Fußböden. Rechts: Schuttverfüllung unter Fußbodenlage auf Gewölbekuppe.

Bereits in den Trassengräben entlang der nördlichen Giebelseite des Hospitals konnte der bis dato in Vergessenheit geratene Kirchhof mit seiner Friedhofsmauer ausschnittsweise ergraben werden (Abb. 15). Es war notwendig die hier angetroffenen 49 Bestattungen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit zu dokumentieren und zu bergen (Abb. 9). Im Bereich der Friedhofsnutzung ist zudem ein urgeschichtlicher Nutzungshorizont aufgegangen, der vorrangig Scherben der Bronze- und Eisenzeit lieferte (Abb. 10). Dieser wurde punktuell auch in anderen Trassenabschnitten in zwei Metern Tiefe gefasst und er entspricht in seiner Gestalt dem im gesamten Frankfurter Stadtgebiet bereits mehrfach dokumentierten urgeschichtlichen Siedlungshorizont.⁷

Abb. 9: Blick in den Trassengraben an der nördlichen Giebelseite des Hospitalgebäudes mit freigelegten Bestattungen des ehemaligen Kirchhofes und Mauer (ABBU GbR). gesetzt worden (ABBU GbR).
Abb. 10: Friedhofsmauer Stelle 45 in der Profilansicht 45-35 gegen West. Das Fundament ist auf den B-Horizont Stelle 67

⁷ Kliemann 2000:69.


Weitere an der nordöstlichen Hospitalseite im Übergang zum Innenhof angetroffene Fundamentzüge um einen Innenraum verlaufen mit geringer Abweichung in etwa einer NW-SO-Linie mit der heutigen nördlichen Giebelseite im unteren Fundamentbereich. Sie tauchten unterhalb der bekannten Verbindungsmauer zwischen Kirche St. Georg und Hospital auf und werden einem bis dato unbekannten Vorgängerbau des Hospitals zugerechnet (Abb. 11, 12, 13). Die auf Feldstein gründenden Fundamente und in Backstein ausgeführten Mauern reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück.

Abb. 11: Blick nach Nordwest auf die nordöstliche Hauswand und die in diesem Bereich angetroffenen Fundamentstrukturen einer Vorgängerbebauung (ABBU GbR).

Abb. 12: Obere Fundamentierung Stelle 52 und untere Fundamentierung Stelle 76 bilden östliche Außenwand des Vorgängerbaus und weichen in ihrer Ausrichtung voneinander ab (ABBU GbR).


Darauf aufsetzende Ziegelmauerwerke zeigen eine abweichende Ausrichtung und sind zeitlich zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert anzusiedeln. Selbst dieser ältere Vorgängerbau war mehreren Umbauphasen unterworfen (Abb. 12). In den Erdschichten lässt sich flächenhaft in mehreren Bereichen von Hospital und Kirchhof eine Brandschicht erkennen, die nach einer Zerstörung zum Neuaufbau dieses Gebäudes führte. Im Zuge einer Umbauphase wurde auch ein ehemals von der Nordseite (Kirchhof) vorhandener Eingang zu dem erfassten Innenraum verschlossen. Die erhaltenen Lehmfußböden verweisen auf eine fortwährende Nutzung des Gebäudetraktes (Abb. 13, 14). Ein Abriss des älteren Hospitalgebäudes erfolgte wohl im 18. Jahrhundert mit dem Wiederaufbau in heutiger Gestalt.

Abb. 13: Profil 53-33: Schichtung mit Lehmlagen innerhalb der Fundamente Stelle 52, 76, 77 (ABBU GbR).

Abb. 14: Fischgrätenfund im Lehm konserviert (Stelle 82) (ABBU GbR).

Bis zur hofseitigen Tordurchfahrt haben sich ältere bauliche Strukturen und dazu gehörige Schichtbefunde des Mittelalters und der Neuzeit erhalten. Dazu zählen ein älteres Feldsteinfundament mit Resten geziegelten Mauerwerks sowie ein spätmittelalterlicher und ein neuzeitlicher Feldsteinpflasterrest. Während das ältere Feldsteinfundament West-Ost ausgerichtet ist und eventuell in baulichem Zusammenhang mit dem Hospital-Vorgängerbau steht, verläuft ein darauf aufsetzender geziegelter Fundamentsockel in Nord-Süd-Richtung parallel zum heutigen Gebäude (Abb. 15). Umgeben war er von einem Feldsteinpflaster, das bis zur Durchfahrt reichte und dort eine saubere Abschlusskante in Form größerer Feldsteine aufwies. Eine Wölbung des Hofpflasters in West-Ost- Richtung und ein leichtes Gefälle in südliche Richtung ließ sich feststellen. Eine Fortsetzung der Befunde in südliche Richtung ist nicht vorhanden, da im Zuge einer Unterkellerung des Hospitalneubaus für den südlichen Komplex die älteren Schicht- und Baustrukturen im 18. Jahrhundert abgetragen worden sind.

Abb. 15: Fundamentstruktur Stelle 123 in Nord-Süd-Ausrichtung oberhalb einer älteren Pflasterlage (Stelle 125) in Planum 125-8 (ABBU GbR).

Erkenntnisse durch die Auswertung des Skelettmaterials

Die anthropologische Bestimmung des geborgenen Skelettmaterials aus 44 von 49 Körperbestattungen mit der Zeitstellung 14.-17. Jahrhundert erfolgte anhand der für die prähistorische Anthropologie üblichen Unterteilungskriterien.⁸ Mit Hilfe dieser Ergebnisse lassen sich folgende Schlüsse über die Bewohner des Hospitals und seine Wirtschaftsweise ziehen.
Die Altersbestimmung ergab 29 erwachsene und 15 nichterwachsene Individuen. Bei den Erwachsenen sind die mittleren Lebensalter von 40 bis 60 Jahren besonders stark vertreten. Individuen im Alter von 20 bis 30 sind unterrepräsentiert, ebenso wie Kinder ab dem 7. Lebensjahr und Jugendliche. Bei 33 von 44 Individuen konnte das biologische Geschlecht bestimmt werden, wonach 14 Männer / 4 Jungen - 12 Frauen / 3 Mädchen gegenüber stehen. Das Geschlechterverhältnis ist ausgewogen.
Die Berechnung der Körperhöhe ergab für Frauen eine Größe von 1,50 m bis 1,59 m und für Männer von 1,54 m bis 1,67 m. Drei männliche Individuen waren mit 1,70 m, 1,72 m sowie 1,80 m erheblich größer als der Durchschnitt. Die Körperhöhen und morphologischen Merkmale der Individuen repräsentieren mehrheitlich eine spät- und hochmittelalterliche Population von kleinem Wuchs, mit Ausnahme der drei männlichen Individuen.
Beim Großteil der Hospitalinsassen könnte es sich um eine regionale Bevölkerung handeln. Nur bei wenigen Individuen – von markanter Körpergröße – könnte es sich um Ortsfremde bzw. Reisende handeln, deren Unterbringung und Versorgung ebenfalls durch die Hospitäler der Stadt gewährleistet wurde. Die vorhandenen erwachsenen Individuen zeigen sämtlich deutliche Anzeichen von Krankheiten, die über einen längeren Zeitraum den Körper beansprucht haben. Einen gewissen Anteil nehmen auch kurzfristig zum Tode führende Krankheiten ein, die keine Spuren am menschlichen Skelett hinterlassen haben.
Bei den Zahn- und Kiefererkrankungen sind Karies, Zahnstein und Parodontose vertreten. Ein zu Lebzeiten nicht abgeheilter ausgedehnter Wurzelspitzenabszess könnte bei einem 40 bis 60 jährigen Mann aus Grab 66 durch eine eingetretene Sepsis zum Tode geführt haben. Der insgesamt schlechte Zahnzustand lässt annehmen, dass weder Zahnhygiene noch medizinische Betreuung stattfanden.

Abb. 16: Spondylosis deformans der Lendenwirbelsäule des Individuums aus Grab 99 (ABBU GbR).

Mehrere Individuen litten an degenerativen Gelenkerkrankungen wie Arthrosen (verschleißbedingte Gelenkveränderungen), am häufigsten befallen sind Schulter (4), Wirbelsäule (12), Hüftgelenke (14), Knie (11), davon betroffen waren sowohl Männer als auch Frauen zu fast gleichen Anteilen (Abb. 16). Das Krankheitsbild reicht von leichten Fällen bis zu schwereren Formen einhergehender Ankylose (Verknöcherung).

⁸ Durch Autorin.


Im Vergleich mit Referenzfriedhöfen (z. Bsp. Heidelberger Spitalfriedhof) ergibt sich ein höherer Anteil an nachgewiesenen krankhaften Veränderungen⁹, was die Hospitalinsassen deutlich vom übrigen Anteil der städtischen Bevölkerung unterscheidet. Wie ein Fall von einem an Syphilis erkrankten Mannes (Grab 72) zeigt, wurden auch Menschen mit diversen schweren und ansteckenden Krankheiten im Hospital versorgt. Beinahe alle Knochen zeigen eine Aufblähung der sonst glatten Knochenstruktur und Zerstörung des Knochengewebes mit Lochdefekten (Abb. 17). Von einer schweren Grunderkrankung betroffen war auch der 30-40 jährige Mann aus Grab 99, dessen Gelenke trotz jungen Alters offenbar frühzeitig arthrotisch verändert sind. Ein fast vollständiger Zahnverlust sowie Anzeichen einer gestörten Nährstoffaufnahme zeigen, dass die Erkrankung über einen längeren Zeitraum durchlebt wurde. Anzeichen einer Gichterkrankung zeigen der Mann aus Grab 102 sowie die Frau aus Grab 114, beide mittleren Alters. Bei zwei Männern (Grab 98 und 117) wurden zu Lebzeiten abgeheilte Beinfrakturen festgestellt. Der Mann gehobenen Alters aus Grab 98 (60+ Jahre) weist eine verheilte Fraktur am linken Schienbein auf (Abb. 18). Die Knochen sind nicht gerichtet worden, wodurch es zu einer einseitigen Verkürzung und damit einseitiger Hüftgelenksabnutzung kam. Zum einen können schlechte Lebensbedingungen der Grund für eine unzureichende Nährstoffaufnahme sein, gleichzeitig können auch lang anhaltende Krankheitsphasen die Nährstoffaufnahme im Körper hemmen. Bei 9 erwachsenen und 3 nichterwachsenen Individuen war das Skelett infolge einer Rachitis in Kinderjahren bzw. infolge einer akuten Osteomalazie im Erwachsenenalter deformiert. Mehrere Individuen zeigen Anzeichen einer Mangelernährung bzw. gestörten Nährstoffaufnahme (z. Bsp. Anämie bei einem Eisen- oder Folsäuremangel oder Skorbut bei Vitamin C Mangel).

Abb. 17 Individuum Grab 72 mit ausgeprägten periostalen Verdickungen und Strukturauslöschungen an linker und rechter Tibia und Fibula (ABBU GbR).

Abb. 18: Individuum Grab 98, linke Tibia mit verheilter Fraktur (ABBU GbR).

⁹ Thier 2002.

Erkenntnisse durch einen Vergleich der Grabungsdaten mit historischen Belegen

Nachdem das Hospital im 14. Jahrhundert bereits ein etabliertes Haus im mittelalterlichen Frankfurt (Oder) darstellte, wurde es durch mehrere zeitgeschichtliche Geschehen tangiert, die unmittelbar Einfluss auf die Gebäude und seine Bewohner hatten. So gab es beim Einfall der Hussiten 1432 sowie der Polen, Litauer und Preußen im Jahr 1450 erhebliche Schäden und Verluste, insbesondere in den Frankfurter Vorstädten zu beklagen.¹⁰ Frühe Vorgängerbauten des Hospitals aus dem frühen 14. Jahrhundert werden sehr wahrscheinlich diesem Ereignis zum Opfer gefallen sein. Denkbar wäre daher eine erneute Erbauungsetappe für die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, zu der Hospital und Kirche als Feldstein-/Backsteinbau entstanden. Diese Anlage ist schließlich auf den ältesten vorhandenen Darstellungen zu sehen (Aquarell 1535 und Kupferstich 1548). Stiftung der Familie Winse von 1545 und Bauarbeiten durch den Bürgermeister Thomas Riebe 1550 werden schriftlich benannt. Zu diesem Zeitpunkt stehen Hospital und Kirche bereits. An mehreren Fundament- und Schichtbereichen zum Grabungszeitpunkt wurden Spuren eines Brandgeschehens ersichtlich. Neben rußgeschwärzten Feldsteinen am inneren Fundamentbereich des Vorgängerbaus war auch oberhalb des Lehmestrichs eine schmale Brandschicht vorhanden, ebenso in einem Profil neben dem westlichen Kirchenfundament (Höhe von 21,82m und 22,16 m DHHN) (Abb. 19). Die Brandschicht wird stratigrafisch in die Zeit zwischen dem 16. und 17. Jh. gestellt und deutet auf einen Großbrand an den Gebäuden hin. Eine C14-Analyse steht derzeit noch aus.

Abb. 19: Brandschicht in Profil 62-36 in ca. 1,20 m Tiefe unter GOK (ABBU GbR).

Abb. 20: Auffüllungsschichten im Innenhofbereich (Stelle 50). Hier in Abdeckung des Fundamentes Stelle 121 (ABBU GbR).

Möglich wäre aufgrund der stratigrafisch gewonnenen relativchronologischen Einordnung ein Zusammenhang mit dem Einfall der Schweden unter Gustav Adolf von 1631, in dem insbesondere die Vorstädte Frankfurts niedergebrannten.¹¹ Danach erfolgte der Wiederaufbau mit geringer Abweichung in Ausrichtung und unter Zweitverwendung von vorhandenem Baumaterial. Eine zeitliche Einordnung der Fundamente dieser Zeitphase erfolgt in die frühe Neuzeit, vermutlich 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ein schriftlich erhaltener Hinweis belegt eine Bauphase für die Jahre 1696 durch Johann Adam Bretschneider und nach dessen Tod die Fertigstellung im Jahr 1698 durch Christian Gräve.¹² In die gleiche Bauphase gehören wohl auch die letzte Pflasterlage sowie die einfachen Vorratskellerbauten südlich des Vorgängerbaus mit der daraus stammenden Haushaltsware aus der Gebäudenutzung vom 17. bis 18. Jahrhundert. Eventuell erklärt sich die umfassende Umbauphase am Hospital im 18. Jahrhundert durch die zuvor nur notdürftig ausgeführten Reparaturen nach dem Einfall der Schweden. Die Arbeiten um 1800 wurden nach Knoblauchs Entwürfen in seine heutige Gestalt durchgeführt. Die während dieser Bauphase angefallenen Arbeiten wurden wesentlich sorgfältiger ausgeführt und waren mit großen Umstrukturierungen und einem grundsätzlichen Wiederaufbau des Hospitals verbunden. Während dieser Bauphase wurde die nördliche Gebäudehälfte bis auf die Fundamente abgetragen und auf den Fundamenten des Vorgängerbaus neu aufgebaut, wobei stellenweise Mauerzüge belassen wurden. Die südliche Hospitalhälfte wurde unterkellert, wobei sämtliche ältere Baustrukturen und Schichten bis weit in den östlichen Hofbereich entfernt worden sind.
Abgetragenes Erdreich und Bauschutt wurden dabei rund um das Hospital angefüllt (Abb. 20). Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wurden der Kirche auf der Nord- und Südseite die Querflügel zugefügt, deren südliche Außenwand heute oberirdisch erhalten ist. Mit dem Bau dieses Kirchenanbaus standen Kirche und Hospital nun dichter beisammen als zuvor.
Die Friedhofsnutzung vor der westlichen Kirche wurde wohl noch im 18. Jahrhunderts aufgegeben und in den nördlich und östlich anschließenden hinteren Bereich der Kirche verlegt. Wann die Friedhofsmauer aufgegeben wurde, bleibt fraglich. Vielleicht bestand sie noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts als räumliche Begrenzung des Komplexes. Eine letzte Sanierungsphase an Hospital und Kirche wird durch mehrere Indizien für die Zeit im 19. Jahrhundert und um 1900 fassbar. Jungs Beschreibungen über „einige Erneuerungen und Neuanschaffungen“ im 19. Jahrhundert decken sich mit den Grabungsergebnissen. Wie er schreibt, wurde der am 13. Februar 1809 von einem Sturm stark beschädigte Turm im Jahr 1823 ausgebessert, im Jahr 1836 wurde die Turmuhr angeschafft und 1833 die Orgel repariert.

Das Georgenhospital erfüllte mit seiner Lage – sowohl an einem fließenden Gewässer zur Versorgung als auch an einer Ausfallstraße, um von den Reisenden Almosen zu erhalten – für ein Hospital seiner Zeit alle typischen Voraussetzungen. Da in Mittelalter und Neuzeit eine medizinische Heilung bei chronischen Erkrankungen unmöglich war, umfasste die Pflege mehr die Seelsorge im Sinne der christlichen Nächstenliebe und außerhalb der Stadttore vor allem auch die Fürsorge für Aussätzige, die nirgends sonst in der mittelalterlichen Gesellschaft eine Zuflucht fanden.¹³ Das Hospital selbst wurde nur durch Spenden (Sach- und Geldspenden) frommer Bürger, das Einbringen eigenen Hausrats und die Betteltätigkeit der Insassen am Laufen gehalten.¹⁴ Für das Georgenhospital sind diverse Spenden seit dem Jahr 1312 schriftlich belegt, u.a. Altäre, diverse Erträge und Grundstücke sowie einige Geldspenden. Zum Personal, dass sich um die Pflege der Kranken kümmerte gibt uns eine Urkundenquelle von Stifter Thomas Riebe Auskunft: „Ferner und zum andern ordnen und wollen wir, dass von obgerührtem Gelde der hundert und sechzig jährlich zwei und fünfzig Gülden dem Hospital St. Georgen gegeben werden, darvon sollen sie in dem Hospital, welches ich auch an dem Ohrt auf meine Unkosten habe bauen lassen, acht alte Personen Weiber, doch von solchem Alter und Vermögen, dass sie der Kranken warten können, und wo man sie hinfort in jährlichen oder andern Zeiten, keinem den Dienst versagen sollen, um gebührlichen Lohn halten (Jung 1912:96).“ Demnach waren es vor allem alte Frauen, die sich wohl selbst nicht mehr um eine eigene Familie kümmern mussten, die diese Arbeit übernahmen und dafür eine vierteljährliche Rente sowie jährlich Tuch für Bekleidung erhielten. Für andere Hospitäler werden je nach Größe des Spitals Bader (später Ärzte), Spitalmeister, Mägde und Knechte an Personal genannt.¹⁵ Die Hauptpfarrkirche St. Marien gewährleistete den Gottesdienst. Der zuletzt eingesetzte Pfarrer war ein Heinrich Andrießen.¹⁶

¹⁰ 750 Jahre Frankfurt 2003: 23.
¹¹ 750 Jahre Frankfurt 2003:27.
¹² Jung 1912:96.
¹³ Kilian-Buchmann 2008:283.
¹⁴ Ebda.
¹⁵ Kilian-Buchmann 2008:285.
¹⁶ Kilian-Buchmann 2008:284.

Tabelle 1: Zusammenstellung aller gewonnenen Daten in historischem Abriss von oben nach unten (C. Korluß, ABBU).

Zur Grabung zeigte sich, dass die Gruft erst um 1900 endgültig aufgegeben worden sein muss, denn der Kirchenbau war noch zu diesem Zeitpunkt mit Versorgungsleitungen (Wasser, Regenwasserfallrohre) ausgestattet worden. Trotz aller Bemühungen entschließt man sich das Gotteshaus 1926 doch abzureißen, zu aufwendig erscheint eine Reparatur. Das Hospital verbleibt zusammen mit einem kleinen Mauerstück der Kirche als letztes oberirdisches Zeugnis an seinem ursprünglichen Standort.
Cathérine Korluß, ABBU

Quellen

Beckmann 1706:
J.C. Beckmann, Kurtze Beschreibung der alten löblichen Stat Franckfurt an der Oder … durch Wolfgang Jobst, die dritte Edition nebst unterschiedenen historischen Accessionen. Die Stat Franckfurt und herumbliegende Gegenden belangende Auch zugehörige Kupfern, hervorgegeben von Johann Christoph Beckmann (Frankfurt O. 1706).

Goeke 1912:
Th. Goeke (Hrsg.), Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Band II, Teil 3 (Berlin 191).

Jung 1912:
Handbuch der Kunstdenkmäler 6, Teil 2, Frankfurt (Oder), hrsg. von Wilhelm Jung (Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Band VI, Teil 2) Berlin 1912.

Kilian-Buchmann 2008:
M. Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder) im 13. und 14. Jahrhundert. Untersuchungen zur Bevölkerungsstruktur und Siedlungsentwicklung. Frankfurter Jahrbuch 2008/09 (Frankfurt 2008).

Kliemann 2000:
V. Kliemann, Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung des Stadtkreises Frankfurt (Oder). In: Frankfurter Jahrbuch des Vereins der Freunde und Förderer des Museums Viadrina e.V., 2000, 65-84.

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