Archäologische BauBegleitende Untersuchungen

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Der neuzeitliche Friedhof und die Kapelle von Ostrow - Cottbus

Auf der Webseite veröffentlicht:
17. August 2021
Von Cathérine Korluß

ABBU
R.Methner & L.Ruhnow GbR
Bahnhofstraße 48
03046 Cottbus


In den Jahren 2016 bis 2018 betreuten wir im Auftrag der Stadt Cottbus die Neugestaltung des Ostrower Platzes in Cottbus (Projekt LAU 2016: 90). Die Tiefbauarbeiten ermöglichten die Untersuchung des alten Dorfkerns von Ostrow mit Grundstücksparzellen, Friedhof und Kapelle sowie umliegenden Straßenzügen.

Ortsgründung und Platzanlage von Ostrow reichen in das 15. Jahrhundert zurück, wobei es 1498 erstmals urkundlich als eigenständiger Ort südlich von Cottbus erwähnt und 1720/24 als „Die Vor-Stadt Ostrow“ bezeichnet wird (Denkmaltopografie 2001: 230 f.). Heute liegt der Ostrower Platz innerhalb der Stadt Cottbus und sein Anger ist der einzig erhaltene der ehemals fünf Vorstädte von Cottbus. Lediglich die Häuserzeile auf seiner Ostseite ist noch ursprünglich, während Nord-, West- und Südbebauung jüngeren Datums sind (Abb. 1, 2). Auf dem Anger befanden sich bis 1893 ein Friedhof und die St. Barbara- Kapelle. Nachdem der Friedhof aufgelassen worden war, fanden in den 1920iger auf dem Platz Wochenmärkte statt, zum 2. Weltkrieg durchzog ihn ein Schützengraben, zuletzt diente die versiegelte Fläche als Parkplatz.


Abb. 1: Ostrower Platz Blick Richtung Süd (ABBU).


Abb. 2:Ausschnitt „Dorf Ostrow“ Stadtplan Lortzing 1861 (Stadtarchiv Cottbus).

Die sich nördlich und östlich vom Anger anschließenden Straßenzüge sind von Schichtbefunden und Grubenbefunden des 15. bis 19. Jahrhunderts einstiger Gehöft-Parzellen der alten Ortslage geprägt. Insgesamt 193 größere und kleinere, häufig mehrphasig verfüllte Siedlungs-/Speichergruben sowie Pfostengruben wurden angetroffen und dokumentiert (Abb. 3, 4). Reste einer im Kreuzungsbereich mit der Briesmannstraße ca. 1 m unter rezenter GOK angetroffene unbefestigte Wegenutzung verliefen in ihrer Flucht konträr zur heutigen Straßenanlage. Der östliche Angerbereich ist von einer garten- und ackerbaulichen Nutzung geprägt, wie diverse Pflanzgruben bezeugen.


Abb. 3: Grubenbefunde auf der nördlichen Angerseite. Blick nach Südwest (ABBU).


Abb. 4: Im Profil angeschnitten: Siedlungsgrube, mehrphasig verfüllt und Pfostenspur als graue Einfärbung (ABBU).

Der alte Dorffriedhof wurde im westlichen Straßenzug sowie auf der gesamten nördlichen Platzhälfte in Gestalt eines „Gottesackers“ mit seinen Körperbestattungen in 3 bis 4 Lagen angetroffen (Abb. 5, 6). Insgesamt 323 Körpergräber des 14.-19. Jh. wurden archäologisch dokumentiert und anthropologisch erfasst. Je nach Zeitphase lassen sich unterschiedliche Bestattungsriten feststellen.

Abb. 5: Alter Dorffriedhof von Ostrow unter der heutigen Straße im Blick Richtung NW (ABBU).

Während die spätmittelalterlichen Gräber in W-O-Ausrichtung, beigabenlos, mit schlichtem und auch ohne Sarg, in streng christlicher Ausführung angetroffen wurden, sind für die neuzeitlichen Bestattungen des 18. und 19. Jh. Lockerungen in der Bestattungsweise vorzufinden. Sie erfolgten eher in SW-NOAusrichtung, regelhaft mit geräumigem Holzsarg sowie mit Beigaben und Belassungen, die einen Einblick in die Alltags- und Glaubenswelt der damaligen Menschen erlauben. Neben Münzoboli, die auch schon in den älteren Bestattungen auftreten, sind jetzt Kränze, Dinge der persönlichen Habe wie Kleidung, Bürsten, Taschenmesser, Schmuck und Medizinfläschchen festzustellen. Beinahe regelhaft sind einzelne Gefäße – Teller, Schüssel, Henkeltopf oder Tasse – im Sarg deponiert, die der Totenwaschung und Salbung dienten und nach der Herrichtung der Toten dem profanen Gebrauch entzogen wurden (Thier 1999.) (Abb. 6, 8).


Abb. 6: Grabbefund mit Gefäßbeigabe (ABBU).


Abb. 7: Auswahl Gefäßfunden aus den Körperbestattungen: A) Glasfläschchen, B) Henkeltopf mit Holzkohle, C) Tongefäße (Korluß ABBU).

In Grab 247 fand sich ein Henkeltopf gefüllt mit Holzkohle, die als Rest einer Räucherung während des Totenritus verblieb (Abb. 6). Ähnlichkeiten im Bestattungswesen, Totenritus und Fundspektrum sind vor allem mit den spätneuzeitlichen Cottbuser Friedhöfen am Weinberg (Petzold 2004) und Sandow (Korluß 2011) zu erkennen.

Trotz einiger Verdachtsmomente konnte eine ehemalige Friedhofsumfriedung in keinem Fall nachgewiesen werden, obgleich sie ursprünglich existierte. Dafür wurden auf dem mittigen Friedhofsareal Fundamentreste der ehemaligen Friedhofskapelle St. Barbara angetroffen, die von Geländeregulierungen Mitte des 20. Jh. verschont geblieben sind (Abb. 8, 9). Der Kapellenstandort zeigte sich als ein West-Ost ausgerichtetes, vorrangig gelb-sandiges Oval aus gewachsenem Boden, sich bereits optisch absetzend zum umgebenden mittelbraungrauen Friedhofsboden. An der östlichen Seite waren bogenförmig verlaufende Fundamentreste aus Feldsteinen und Ziegeln erhalten, die einige ältere Bestattungen überlagerten.

Abb. 8: Fundamentreste und sich abzeichnender Grundriss der St. Barbara-Kapelle. Blickrichtung Nordwest (ABBU).

In verschiedene Profilanlagen zeigte sich eine noch 40 cm hoch erhaltene Fundamentierung aus Feldsteinen (dm 40-50 cm), Ziegelbruch und weißgelbem Sand-Kalk-Mörtel. Die Kapellenfundamente überlagerten einige ältere Gräber, die bei ihrer Untersuchung vor Ort als frühneuzeitlich eingestuft wurden. Eine Entstehung der Kapelle wird für die Mitte des 18. Jh. angenommen. Des Weiteren wurden eine geziegelte Gruft und einige geziegelte Fundamentierungen für Grabsteinsockel, Denkmäler u.a. obertägige Zeugnisse angetroffen. Der nordwestliche Eckbereich der Gruft wurde exemplarisch abgetieft und zeigte 1,20 m hoch erhaltene geziegelte und innen weiß verputzte Wände. An der Westwand der Gruft befanden sich 60 cm über dem Fußboden eiserne Haken zum Aufhängen von Blumenkränzen o.ä. sowie eine 40 x 60 cm große Wandtafel mit schwach leserlicher Schrift. In Bodennähe wurden einzelne Sargreste, eiserne Sarggriffe und Metallbeschläge einer ehemaligen Gruftbestattung angetroffen.

Abb. 9: Fundamentausschnitt der St. Barbara-Kapelle (ABBU).

Von allen historischen Stadtplänen der Stadt Cottbus besonders treffend ist der Plan von Lortzing im Jahr 1861, nach dem sich die angetroffene Befundsituation in ein Gesamtbild einfügt. Der Friedhofsbereich war in seiner Grundfläche exakt definiert, was das ehemalige Vorhandensein einer Friedhofsmauer zwingend erforderlich macht. Die Nordost- / Nordwest- und Südwestecken waren abgeflacht und ein Zugang bestand von Südost. Unmittelbar daneben befand sich eine Gruft, die zur Grabung in Form geziegelter Sockelfundamente einstiger Stelen, Denkmäler u.a. als vormals markante Punkte des Friedhofes angetroffen wurden. Der Großteil des auf der nördlichen Platzhälfte angetroffenen Friedhofsbereichs blieb von weiteren Baumaßnahmen unberührt und wurde zur Erhaltung zusammen mit dem Kapellenfundament mit Geotextil und einer Geländeauffüllung abgedeckt.

Literatur:

Denkmaltopographie 2001:
Ackermann/Cante/Mues, Denkmaltopographie Deutschland, Denkmale in Branden-burg, Stadt Cottbus. Altstadt und innere Stadtteile, Bd. 2.1 (Worms 2001).

Korluß 2011:
C. Korluß, Ein neuzeitlicher Friedhof in Cottbus-Sandow. In: Einsichten 2011, Heft 19, S. 21-54.

Petzold 2004:
U. Petzold, Die Untersuchungen des neuzeitlichen Friedhofes auf dem Weinberg in Cottbus. In: In: Einsichten 2004, Heft 13, S. 27-48.

Thier 1999:
B. Thier, Die Schüssel im Grab. In: Archäologie als Sozialgeschichte. Studien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschr. Heiko Steuer zum 60. Geburtstag (Rahden 1999) 139-149.

Autorenanschrift:

Cathérine Korluß
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